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Venus im Pelz

por Leopold von Sacher-Masoch

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Venus im Pelz - Parte 1

Vorwort

Vorliegende Erzählung ist ein Teil eines großen, aber niemals von dem

Dichter vollendeten Novellenzyklus, „Das Vermächtnis Kains“, der nach

Sacher-Masochs eigenem Ausspruche „eine bilderreiche Naturgeschichte

des Menschen sein sollte“. Das Ganze sollte in sechs Unterabteilungen

zu je sechs Novellen zerfallen, für welche die Obertitel „Die Liebe“,

„Das Eigentum“, „Das Geld“, „Der Staat“, „Der Krieg“ und „Der Tod“

vorgesehen waren. Sacher-Masoch hatte sich somit ein sehr hohes

Ziel gesteckt, er wollte in diesen geplanten Erzählungen alles

Menschenleid und -schicksal in seinen verschiedensten Möglichkeiten und

Ausdrucksformen schildern und zugleich in der Schlußnovelle eines jeden

Teiles die Antwort auf die behandelte Frage und deren Lösung geben.

Von dem gesamten Werke liegen nur die beiden ersten Teile „Die Liebe“

und „Das Eigentum“ abgeschlossen vor. Von den andern existieren nur

Bruchstücke. Die „Venus im Pelz“ gehört als fünfte der Novellen zu dem

Zyklus „Die Liebe“.

Der Dichter schildert hierin die Erlebnisse eines Idealisten und

Phantasten zugleich, den sein Unstern in den Bannkreis eines herzlosen

und brutalen Weibes treibt.

Zur Zeit, als Sacher-Masoch diese seine berühmteste Novelle verfaßte,

stand er ganz im Banne eines Schopenhauerschen Pessimismus. Was seine

Lebensumstände anbetrifft, so ist zu bemerken, daß er damals als

Privatdozent an der Universität Graz habilitiert war.

Sofort beim Erscheinen der „Venus im Pelz“ spalteten sich die Leser in

zwei Parteien. Die einen verwarfen sie wegen der bis dahin unerhörten

Kühnheit der Schilderungen und fühlten sich zugleich durch das Motiv

abgestoßen. Die anderen dagegen, und gerade die besten Männer deutscher

Wissenschaft und Literatur, säumten nicht, anzuerkennen, hier liege

ein einzigartiges document humain vor, und es zeuge zudem von

ungewöhnlicher Genialität des Verfassers.

In rascher Folge entstanden weitere Schöpfungen, und eine wie die

andere waren vollwertiges Gold.

Um so peinlicher überrascht fühlten sich daher alle Freunde des

Dichters, als plötzlich höchst oberflächliche und zum Teil direkt

minderwertige Produkte seiner Feder auf dem Markt erschienen.

Verwundert und verstimmt fragte man sich, wie es möglich sei, daß ein

Poet, der die Klassizität gestreift, sein eigenes Renommee in solcher

Weise verderben könne. Nach Sacher-Masochs Tode ist dies Rätsel gelöst.

Die Not, die bitterste äußere Not zwang ihn dazu, dem Gott in sich

selbst Gewalt anzutun, um Brot für sich und die Seinen um jeden Preis

zu schaffen. In jener Zeit entstanden die vielberufenen „Messalinen

Wiens“, „Falscher Hermelin“ usw. Aber seltsam, gerade diese seichten

Arbeiten hatten bei dem Publikum ungeahnten Erfolg. Es brauchte dabei

nicht zu denken, wohl aber fühlte es sich seltsam erregt durch das

eigenartige, ihnen entströmende Gemisch von Stall- und Boudoirparfüm.

So wurde Sacher-Masoch in den Augen vieler zu einem oberflächlichen und

frivolen Skribenten erniedrigt, und es konnte leider nicht anders sein,

denn die Welt urteilt stets nach den Resultaten, aber nicht nach den

Motiven.

Selbst in der Spätzeit, als der Dichter sich wieder großen und

bedeutenden Aufgaben zuwandte, vermochte er die alten peinlichen

Erinnerungen nicht wieder zu verwischen. Und -- es ist traurig zu sagen

-- auch das große Publikum wollte nichts Gehaltvolles mehr von ihm,

sondern verlangte von ihm geradezu Mindergut.

Nur eine verhältnismäßig kleine Gemeinde wirklicher Verehrer blieb ihm

dauernd treu, jener, die das Unvergängliche, was er geschaffen, seinem

vollen Werte nach zu schätzen wußten und trotz seiner späteren Mängel

iemals an dem genialen Meister irre wurden.

Den Wünschen dieser zu entsprechen -- da die älteren Ausgaben

vollständig vergriffen sind --, entschlossen wir uns, einige seiner

besten Arbeiten in Neudrucken auf den Markt zu bringen. Darunter auch

die Novellen „Die Liebe des Plato“ und die „Venus im Pelz“.

Obwohl diese beiden Werke seit über 50 Jahren der Literatur angehören

und in allen Literaturgeschichten gewürdigt sind, ist es ihnen -- und

namentlich der „Venus im Pelz“ -- nicht erspart geblieben, neuerdings

seitens der Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften verschiedensten

Titels beanstandet zu werden.

Es sei allerdings gern anerkannt, daß Kenntnis der Literatur

und Phantasie von Polizeiorganen und solchen der öffentlichen

Anklagebehörde nicht erwartet werden darf. Beides gehört nicht zu ihrem

Ressort.

Die Folgen dieser Beanstandungen blieben nicht aus. In der Regel

wurden „Plato“ und die „Venus im Pelz“ seitens der Polizeibehörden

und der Staatsanwaltschaften ohne weiteres als nicht zu beanstandende

Dichtungen und Kunstwerke dem öffentlichen Verkehr zurückgegeben.

Gleichwohl kam es gelegentlich vor, daß die „Venus“ Gegenstand einer

Gerichtsverhandlung wurde. Von den Resultaten dieser ist zu sagen, daß

sie allemal mit einer Niederlage der Staatsanwaltschaft endeten.

Die Welt der deutschen Schriftsteller hatte das nicht anders erwartet.

Als es bekannt wurde, daß ein Einschreiten gegen die „Venus im

Pelz“ im Gange sei, erhob sich überall befremdetes Kopfschütteln.

In geschlossener Phalanx traten die Koryphäen deutschen Schrifttums

regelmäßig für Erhaltung des Werkes ein und mit ihnen zugleich die

Männer der Wissenschaft.

So erklärte z. B. anläßlich eines solchen Prozesses der Geheime

Medizinalrat Professor Dr. Albert Eulenberger in Berlin: Die „Venus im

Pelz“ besitze unschätzbaren Wert und sei ein Unikum in der deutschen

Literatur. So wenig sie in dieser zu vermissen sei, ebensowenig

vermöge die Wissenschaft ihrer zu entbehren.

Als der Geheime Hofrat Professor Dr. Koester in Leipzig gelegentlich

seitens der Dresdener Staatsanwaltschaften aufgefordert wurde, ein

Gutachten über die „Venus im Pelz“ abzugeben, kam er ebenfalls zu dem

Resultat, das Werk gehöre der Literatur an, und es sei nicht angängig,

es aus der Reihe der Lebenden zu streichen.

Wir glauben, daß die gemachten Mitteilungen mehr als einem Leser und in

mehr als einer Hinsicht interessant sein dürften.

+Der Verlag+

Ich hatte liebenswürdige Gesellschaft.

Mir gegenüber an dem massiven Renaissancekamin saß Venus, aber nicht

etwa eine Dame der Halbwelt, die unter diesem Namen Krieg führte gegen

das feindliche Geschlecht, gleich Mademoiselle Cleopatra, sondern die

wahrhafte Liebesgöttin.

[Illustration]

Sie saß im Fauteuil und hatte ein prasselndes Feuer angefacht, dessen

Widerschein in roten Flammen ihr bleiches Antlitz mit den weißen Augen

leckte und von Zeit zu Zeit ihre Füße, wenn sie dieselben zu wärmen

suchte.

Ihr Kopf war wunderbar trotz der toten Steinaugen, aber das war auch

alles, was ich von ihr sah. Die Hehre hatte ihren Marmorleib in einen

großen Pelz gewickelt und sich zitternd wie eine Katze zusammengerollt.

„Ich begreife nicht, gnädige Frau,“ rief ich, „es ist doch wahrhaftig

nicht mehr kalt, wir haben seit zwei Wochen das herrlichste Frühjahr.

Sie sind offenbar nervös.“

„Ich danke für euer Frühjahr,“ sprach sie mit tiefer steinerner

Stimme und nieste gleich darnach himmlisch und zwar zweimal rasch

nacheinander; „da kann ich es wahrhaftig nicht aushalten, und ich fange

an zu verstehen --“

„Was, meine Gnädige?“

„Ich fange an das Unglaubliche zu glauben, das Unbegreifliche zu

begreifen. Ich verstehe auf einmal die germanische Frauentugend und

die deutsche Philosophie, und ich erstaune auch nicht mehr, daß ihr im

Norden nicht lieben könnt, ja nicht einmal eine Ahnung davon habt, was

Liebe ist.“

„Erlauben Sie, Madame,“ erwiderte ich aufbrausend, „ich habe Ihnen

wahrhaftig keine Ursache gegeben.“

„Nun, Sie --“ die Göttliche nieste zum dritten Male und zuckte mit

unnachahmlicher Grazie die Achseln, „dafür bin ich auch immer gnädig

gegen Sie gewesen und besuche Sie sogar von Zeit zu Zeit, obwohl ich

mich jedesmal trotz meines vielen Pelzwerks rasch erkälte. Erinnern

Sie sich noch, wie wir uns das erste Mal trafen?“

„Wie könnte ich es vergessen,“ sagte ich, „Sie hatten damals reiche

braune Locken und braune Augen und einen roten Mund, aber ich erkannte

Sie doch sogleich an dem Schnitt Ihres Gesichtes und an dieser

Marmorblässe -- Sie trugen stets eine veilchenblaue Samtjacke mit

Fehpelz besetzt.“

„Ja, Sie waren ganz verliebt in diese Toilette, und wie gelehrig Sie

waren.“

„Sie haben mich gelehrt, was Liebe ist, Ihr heiterer Gottesdienst ließ

mich zwei Jahrtausende vergessen.“

„Und wie beispiellos treu ich Ihnen war!“

„Nun, was die Treue betrifft --“

„Undankbarer!“

„Ich will Ihnen keine Vorwürfe machen. Sie sind zwar ein göttliches

Weib, aber doch ein Weib, und in der Liebe grausam wie jedes Weib.“

„Sie nennen grausam,“ entgegnete die Liebesgöttin lebhaft, „was eben

das Element der Sinnlichkeit, der heiteren Liebe, die Natur des Weibes

ist, sich hinzugeben, wo es liebt und alles zu lieben, was ihm gefällt.“

„Gibt es für den Liebenden etwa eine größere Grausamkeit als die

Treulosigkeit der Geliebten?“

„Ach!“ -- entgegnete sie -- „wir sind treu, solange wir lieben, ihr

aber verlangt vom Weibe Treue ohne Liebe, und Hingebung ohne Genuß, wer

ist da grausam, das Weib oder der Mann? -- Ihr nehmt im Norden die

Liebe überhaupt zu wichtig und zu ernst. Ihr sprecht von Pflichten, wo

nur vom Vergnügen die Rede sein sollte.“

„Ja, Madame, wir haben dafür auch sehr achtbare und tugendhafte Gefühle

und dauerhafte Verhältnisse.“

„Und doch diese ewig rege, ewig ungesättigte Sehnsucht nach dem nackten

Heidentum,“ fiel Madame ein, „aber jene Liebe, welche die höchste

Freude, die göttliche Heiterkeit selbst ist, taugt nicht für euch

Modernen, euch Kinder der Reflexion. Sie bringt euch Unheil. +Sobald

ihr natürlich sein wollt, werdet ihr gemein. + Euch erscheint die

Natur als etwas Feindseliges, ihr habt aus uns lachenden Göttern

Griechenlands Dämonen, aus mir eine Teufelin gemacht. Ihr könnt mich

nur bannen und verfluchen oder euch selbst in bacchantischem Wahnsinn

vor meinem Altar als Opfer schlachten, und hat einmal einer von euch

den Mut gehabt, meinen roten Mund zu küssen, so pilgert er dafür

barfuß im Büßerhemd nach Rom und erwartet Blüten von dem dürren Stock,

während unter meinem Fuße zu jeder Stunde Rosen, Veilchen und Myrten

emporschießen, aber euch bekömmt ihr Duft nicht; bleibt nur in eurem

nordischen Nebel und christlichem Weihrauch; laßt uns Heiden unter

dem Schutt, unter der Lava ruhen, grabt uns nicht aus, für euch wurde

Pompeji, für euch wurden unsere Villen, unsere Bäder, unsere Tempel

nicht gebaut. Ihr braucht keine Götter! Uns friert in eurer Welt!“

Die schöne Marmordame hustete und zog die dunkeln Zobelfelle um ihre

Schultern noch fester zusammen.

„Wir danken für die klassische Lektion,“ erwiderte ich, „aber Sie

können doch nicht leugnen, daß Mann und Weib, in Ihrer heiteren

sonnigen Welt ebenso gut wie in unserer nebligen, von Natur Feinde

sind, daß die Liebe für die kurze Zeit zu einem einzigen Wesen vereint,

das nur eines Gedankens, einer Empfindung, eines Willens fähig ist, um

sie dann noch mehr zu entzweien, und -- nun Sie wissen es besser als

ich -- wer dann nicht zu unterjochen versteht, wird nur zu rasch den

Fuß des anderen auf seinem Nacken fühlen --“

„Und zwar in der Regel der Mann den Fuß des Weibes,“ rief Frau Venus

mit übermütigem Hohne, „was Sie wieder besser wissen als ich.“

„Gewiß, und eben deshalb mache ich mir keine Illusionen.“

„Das heißt, Sie sind jetzt mein Sklave ohne Illusionen, und ich werde

Sie dafür auch ohne Erbarmen treten.“

„Madame!“

„Kennen Sie mich noch nicht? Ja, ich bin +grausam+ -- weil Sie

denn schon an dem Worte so viel Vergnügen finden -- und habe ich nicht

recht, es zu sein? Der Mann ist der Begehrende, das Weib das Begehrte,

dies ist des Weibes ganzer, aber entscheidender Vorteil, die Natur hat

ihm den Mann durch seine Leidenschaft preisgegeben, und das Weib, das

aus ihm nicht seinen Untertan, seinen Sklaven, ja sein Spielzeug zu

machen und ihn zuletzt lachend zu verraten versteht, ist nicht klug.“

„Ihre Grundsätze, meine Gnädige,“ warf ich entrüstet ein.

„Beruhen auf tausendjähriger Erfahrung,“ entgegnete Madame spöttisch,

während ihre weißen Finger in dem dunkeln Pelz spielten, „je

hingebender das Weib sich zeigt, um so schneller wird der Mann nüchtern

und herrisch werden; je grausamer und treuloser es aber ist, je mehr es

ihn mißhandelt, je frevelhafter es mit ihm spielt, je weniger Erbarmen

es zeigt, um so mehr wird es die Wollust des Mannes erregen, von ihm

geliebt, angebetet werden. So war es zu allen Zeiten, seit Helena und

Delila, bis zur zweiten Katharina und Lola Montez herauf.“

„Ich kann es nicht leugnen,“ sagte ich, „es gibt für den Mann nichts,

das ihn mehr reizen könnte, als das Bild einer schönen, wollüstigen und

grausamen Despotin, welche ihre Günstlinge übermütig und rücksichtslos

nach Laune wechselt --“

„Und noch dazu einen Pelz trägt,“ rief die Göttin.

„Wie kommen Sie darauf?“

„Ich kenne ja Ihre Vorliebe.“

„Aber wissen Sie,“ fiel ich ein, „daß Sie, seitdem wir uns nicht

gesehen haben, sehr kokett geworden sind.“

„Inwiefern, wenn ich bitten darf?“

„Insofern es keine herrlichere Folie für Ihren weißen Leib geben

könnte, als diese dunklen Felle und es Ihnen --“

Die Göttin lachte.

„Sie träumen,“ rief sie, „wachen Sie auf!“ und sie faßte mich mit

ihrer Marmorhand beim Arme, „wachen Sie doch auf!“ dröhnte ihre Stimme

nochmals im tiefsten Brustton. Ich schlug mühsam die Augen auf.

[Illustration]

Ich sah die Hand, die mich rüttelte, aber diese Hand war auf einmal

braun wie Bronze, und die Stimme war die schwere Schnapsstimme meines

Kosaken, der in seiner vollen Größe von nahe sechs Fuß vor mir stand.

„Stehen Sie doch auf,“ fuhr der Wackere fort, „es ist eine wahrhafte

Schande.“

„Und weshalb eine Schande?“

„Eine Schande in Kleidern einzuschlafen und noch dazu bei einem Buche,“

er putzte die heruntergebrannten Kerzen und hob den Band auf, der

meiner Hand entsunken war, „bei einem Buche von -- er schlug den Deckel

auf, von Hegel -- dabei ist es die höchste Zeit zu Herrn Severin zu

fahren, der uns zum Tee erwartet.“

* *

*

„Ein seltsamer Traum,“ sprach Severin, als ich zu Ende war, stützte die

Arme auf die Knie, das Gesicht in die feinen zartgeäderten Hände und

versank in Nachdenken.

Ich wußte, daß er sich nun lange Zeit nicht regen, ja kaum atmen würde,

und so war es in der Tat, für mich hatte indes sein Benehmen nichts

Auffallendes, denn ich verkehrte seit beinahe drei Jahren in guter

Freundschaft mit ihm und hatte mich an alle seine Sonderbarkeiten

gewöhnt. Denn sonderbar war er, das ließ sich nicht leugnen, wenn

auch lange nicht der gefährliche Narr, für den ihn nicht allein seine

Nachbarschaft, sondern der ganze Kreis von Kolomea hielt. Mir war sein

Wesen nicht bloß interessant, sondern -- und deshalb passierte ich auch

bei vielen als ein wenig vernarrt -- in hohem Grade sympathisch.

Er zeigte für einen galizischen Edelmann und Gutsbesitzer wie für sein

Alter -- er war kaum über dreißig -- eine auffallende Nüchternheit des

Wesens, einen gewissen Ernst, ja sogar Pedanterie. Er lebte nach einem

minutiös ausgeführten, halb philosophischen, halb praktischen Systeme,

gleichsam nach der Uhr, und nicht das allein, zu gleicher Zeit nach dem

Thermometer, Barometer, Aerometer, Hydrometer, Hippokrates, Hufeland,

Plato, Kant, Knigge und Lord Chesterfield; dabei bekam er aber zu

Zeiten heftige Anfälle von Leidenschaftlichkeit, wo er Miene machte,

mit dem Kopfe durch die Wand zu gehen, und ihm ein jeder gerne aus dem

Wege ging.

Während er also stumm blieb, sang dafür das Feuer im Kamin, sang der

große ehrwürdige Samowar, und der Ahnherrnstuhl, in dem ich, mich

schaukelnd, meine Zigarre rauchte, und das Heimchen im alten Gemäuer

sang auch, und ich ließ meinen Blick über das absonderliche Geräte, die

Tiergerippe, ausgestopften Vögel, Globen, Gypsabgüsse schweifen, welche

in seinem Zimmer angehäuft waren, bis er zufällig auf einem Bilde

haften blieb, das ich oft genug gesehen hatte, das mir aber gerade

heute im roten Widerschein des Kaminfeuers einen unbeschreiblichen

Eindruck machte.

Es war ein großes Ölgemälde in der kräftigen farbensatten Manier der

belgischen Schule gemalt, sein Gegenstand seltsam genug.

Ein schönes Weib, ein sonniges Lachen auf dem feinen Antlitz, mit

reichem, in einen antiken Knoten geschlungenem Haare, auf dem der

weiße Puder wie leichter Reif lag, ruhte, auf den linken Arm gestützt,

nackt in einem dunkeln Pelz auf einer Ottomane; ihre rechte Hand

spielte mit einer Peitsche, während ihr bloßer Fuß sich nachlässig auf

den Mann stützte, der vor ihr lag wie ein Sklave, wie ein Hund, und

dieser Mann, mit den scharfen, aber wohlgebildeten Zügen, auf denen

brütende Schwermut und hingebende Leidenschaft lag, welcher mit dem

schwärmerischen brennenden Auge eines Märtyrers zu ihr emporsah, dieser

Mann, der den Schemel ihrer Füße bildete, war Severin, aber ohne Bart,

wie es schien um zehn Jahre jünger.

„+Venus im Pelz!+“ rief ich, auf das Bild deutend, „so habe ich

sie im Traume gesehen.“ „Ich auch,“ sagte Severin, „nur habe ich meinen

Traum mit offenen Augen geträumt.“

„Wie?“

„Ach! das ist eine dumme Geschichte.“

„Dein Bild hat offenbar Anlaß zu meinem Traum gegeben,“ fuhr ich

fort, „aber sage mir endlich einmal, was damit ist, daß es eine Rolle

gespielt hat in deinem Leben, und vielleicht eine sehr entscheidende,

kann ich mir denken, aber das weitere erwarte ich von dir.“

„Sieh dir einmal das Gegenstück an,“ entgegnete mein seltsamer Freund,

ohne auf meine Frage einzugehen.

Das Gegenstück bildete eine treffliche Kopie der bekannten „Venus mit

dem Spiegel“ von Titian in der Dresdener Galerie.

„Nun, was willst du damit?“

Severin stand auf und wies mit dem Finger auf den Pelz, mit dem Titian

seine Liebesgöttin bekleidet hat.

„Auch hier ‚Venus im Pelz‘,“ sprach er fein lächelnd, „ich glaube

nicht, daß der alte Venetianer damit eine Absicht verbunden hat. Er hat

einfach das Portrait irgendeiner vornehmen Messaline gemacht und die

Artigkeit gehabt, ihr den Spiegel, in welchem sie ihre majestätischen

Reize mit kaltem Behagen prüft, durch Amor halten zu lassen, dem

die Arbeit sauer genug zu werden scheint. Das Bild ist eine gemalte

Schmeichelei. Später hat irgendein ‚Kenner‘ der Rokokozeit die Dame auf

den Namen Venus getauft, und der Pelz der Despotin, in den sich Titians

schönes Modell wohl mehr aus Furcht vor dem Schnupfen als Keuschheit

gehüllt hat, ist zu einem Symbol der Tyrannei und Grausamkeit geworden,

welche im Weibe und seiner Schönheit liegt.

Aber genug, so wie das Bild jetzt ist, erscheint es uns als die

pikanteste Satire auf unsere Liebe. Venus, die im abstrakten Norden, in

der eisigen christlichen Welt in einen großen schweren Pelz schlüpfen

muß, um sich nicht zu erkälten. --“

Severin lachte und zündete eine neue Zigarette an.

Eben ging die Türe auf und eine hübsche volle Blondine mit klugen

freundlichen Augen, in einer schwarzen Seidenrobe, kam herein und

brachte uns kaltes Fleisch und Eier zum Tee. Severin nahm eines der

letzteren und schlug es mit dem Messer auf. „Habe ich dir nicht gesagt,

daß ich sie weich gekocht haben will?“ rief er mit einer Heftigkeit,

welche die junge Frau zittern machte.

„Aber lieber Sewtschu --“ sprach sie ängstlich.

„Was Sewtschu,“ schrie er, „gehorchen sollst du, gehorchen, verstehst

du,“ und er riß den Kantschuk[1], welcher neben seinen Waffen hing, vom

Nagel.

Die hübsche Frau floh wie ein Reh rasch und furchtsam aus dem Gemache.

„Warte nur, ich erwische dich noch,“ rief er ihr nach.

„Aber Severin,“ sagte ich, meine Hand auf seinen Arm legend, „wie

kannst du die hübsche kleine Frau so traktieren!“

„Sieh dir das Weib nur an,“ erwiderte er, indem er humoristisch mit den

Augen zwinkerte, „hätte ich ihr geschmeichelt, so hätte sie mir die

Schlinge um den Hals geworfen, so aber, weil ich sie mit dem Kantschuk

erziehe, betet sie mich an.“

„Geh mir!“

„Geh du mir, so muß man die Weiber dressieren.“

„Leb’ meinetwegen wie ein Pascha in deinem Harem, aber stelle mir nicht

Theorien auf --“

„Warum nicht,“ rief er lebhaft, „nirgends paßt Goethes ‚Du mußt Hammer

oder Ambos sein‘ so vortrefflich hin wie auf das Verhältnis von Mann

und Weib, das hat dir beiläufig Frau Venus im Traume auch eingeräumt.

In der Leidenschaft des Mannes ruht die Macht des Weibes, und es

versteht sie zu benützen, wenn der Mann sich nicht vorsieht. Er hat

nur die Wahl, der Tyrann oder der Sklave des Weibes zu sein. Wie er

sich hingibt, hat er auch schon den Kopf im Joche und wird die Peitsche

fühlen.“

„Seltsame Maximen!“

„Keine Maximen, sondern Erfahrungen,“ entgegnete er mit dem Kopfe

nickend, „+ich bin im Ernste gepeitscht worden+, ich bin kuriert,

willst du lesen wie?“

Er erhob sich und holte aus seinem massiven Schreibtisch eine kleine

Handschrift, welche er vor mich auf den Tisch legte.

„Du hast früher nach jenem Bilde gefragt. Ich bin dir lange schon eine

Erklärung schuldig. Da -- lies!“

Severin setzte sich zum Kamin, den Rücken gegen mich, und schien mit

offenen Augen zu träumen. Wieder war es still geworden, und wieder sang

das Feuer im Kamin und der Samowar und das Heimchen im alten Gemäuer

und ich schlug die Handschrift auf und las:

„+Bekenntnisse eines Übersinnlichen+,“ an dem Rande des

Manuskriptes standen als Motto die bekannten Verse aus dem Faust

variiert:

„Du übersinnlicher sinnlicher Freier,

Ein Weib nasführet dich!“

Mephistopheles.

Ich schlug das Titelblatt um und las: „Das Folgende habe ich aus meinem

damaligen Tagebuche zusammengestellt, weil man seine Vergangenheit nie

unbefangen darstellen kann, so aber hat alles seine frischen Farben,

die Farben der Gegenwart.“

* *

*

Gogol, der russische Molière, sagt -- ja wo? -- nun irgendwo -- „die

echte komische Muse ist jene, welcher unter der lachenden Larve die

Tränen herabrinnen.“

Ein wunderbarer Ausspruch!

So ist es mir recht seltsam zumute, während ich dies niederschreibe.

Die Luft scheint mir mit einem aufregenden Blumenduft gefüllt, der

mich betäubt und mir Kopfweh macht, der Rauch des Kamines kräuselt und

ballt sich mir zu Gestalten, kleinen graubärtigen Kobolden zusammen,

die spöttisch mit dem Finger auf mich deuten, pausbackige Amoretten

reiten auf den Lehnen meines Stuhles und auf meinen Knien, und ich

muß unwillkürlich lächeln, ja laut lachen, indem ich meine Abenteuer

niederschreibe, und doch schreibe ich nicht mit gewöhnlicher Tinte,

sondern mit dem roten Blute, das aus meinem Herzen träufelt, denn alle

seine längst vernarbten Wunden haben sich geöffnet und es zuckt und

schmerzt, und hie und da fällt eine Träne auf das Papier.

* *

*

Träge schleichen die Tage in dem kleinen Karpathenbade dahin. Man

sieht niemand und wird von niemand gesehen. Es ist langweilig zum

Iyllenschreiben. Ich hätte hier Muße, eine Galerie von Gemälden zu

liefern, ein Theater für eine ganze Saison mit neuen Stücken, ein

Dutzend Virtuosen mit Konzerten, Trios und Duos zu versorgen, aber

-- was spreche ich da -- ich tue am Ende doch nicht viel mehr, als

die Leinwand aufspannen, die Bogen zurecht glätten, die Notenblätter

liniieren, denn ich bin -- ach! nur keine falsche Scham, Freund

Severin, lüge andere an; aber es gelingt dir nicht mehr recht, dich

selbst anzulügen -- also ich bin nichts weiter, als ein Dilettant; ein

Dilettant in der Malerei, in der Poesie, der Musik und noch in einigen

anderen jener sogenannten brotlosen Künste, welche ihren Meistern

heutzutage das Einkommen eines Ministers, ja eines kleinen Potentaten

sichern, und vor allem bin ich ein Dilettant im Leben.

Ich habe bis jetzt gelebt, wie ich gemalt und gedichtet habe, das

heißt, ich bin nie weit über die Grundierung, den Plan, den ersten Akt,

die erste Strophe gekommen. Es gibt einmal solche Menschen, die alles

anfangen und doch nie mit etwas zu Ende kommen, und ein solcher Mensch

bin ich.

Aber was schwatze ich da.

Zur Sache.

Ich liege in meinem Fenster und finde das Nest, in dem ich verzweifle,

eigentlich unendlich poetisch, welcher Blick auf die blaue, von

goldenem Sonnenduft umwobene hohe Wand des Gebirges, durch welche

sich Sturzbäche wie Silberbänder schlingen, und wie klar und blau der

Himmel, in den die beschneiten Kuppen ragen, und wie grün und frisch

die waldigen Abhänge, die Wiesen, auf denen kleine Herden weiden, bis

zu den gelben Wogen des Getreides hinab, in denen die Schnitter stehen

und sich bücken und wieder emportauchen.

Das Haus, in dem ich wohne, steht in einer Art Park, oder Wald, oder

Wildnis, wie man es nennen will, und ist sehr einsam.

Es wohnt niemand darin als ich, eine Witwe aus Lwow[2], die Hausfrau

Madame Tartakowska, eine kleine alte Frau, die täglich älter und

kleiner wird, ein alter Hund, der auf einem Beine hinkt, und eine junge

Katze, welche stets mit einem Zwirnknäuel spielt, und der Zwirnknäuel

gehört, glaube ich, der schönen Witwe.

Sie soll wirklich schön sein, die Witwe, und noch sehr jung, höchstens

vierundzwanzig, und sehr reich. Sie wohnt im ersten Stock und ich wohne

ebener Erde. Sie hat immer die grünen Jalousien geschlossen und hat

einen Balkon, der ganz mit grünen Schlingpflanzen überwachsen ist; ich

aber habe dafür unten meine liebe, trauliche Gaisblattlaube, in der ich

lese und schreibe und male und singe, wie ein Vogel in den Zweigen. Ich

kann auf den Balkon hinaufsehen. Manchmal sehe ich auch wirklich hinauf

und dann schimmert von Zeit zu Zeit ein weißes Gewand zwischen dem

dichten, grünen Netz.

Eigentlich interessiert mich die schöne Frau dort oben sehr wenig, denn

ich bin in eine andere verliebt und zwar höchst unglücklich verliebt,

noch weit unglücklicher, als Ritter Toggenburg und der Chevalier in

Manon l’Escault, denn meine Geliebte ist von Stein.

Im Garten, in der kleinen Wildnis, befindet sich eine graziöse kleine

Wiese, auf der friedlich ein paar zahme Rehe weiden. Auf dieser Wiese

steht ein Venusbild von Stein, das Original, glaube ich, ist in

Florenz; diese Venus ist das schönste Weib, das ich in meinem Leben

gesehen habe.

[Illustration]

Das will freilich nicht viel sagen, denn ich habe wenig schöne

Frauen, ja überhaupt wenig Frauen gesehen und bin auch in der Liebe

nur ein Dilettant, der nie über die Grundierung, über den ersten Akt

hinausgekommen ist.

Wozu auch in Superlativen sprechen, als wenn etwas, was schön ist, noch

übertroffen werden könnte.

Genug, diese Venus ist schön und ich liebe sie, so leidenschaftlich, so

krankhaft innig, so wahnsinnig, wie man nur ein Weib lieben kann, das

unsere Liebe mit einem ewig gleichen, ewig ruhigen, steinernen Lächeln

erwidert. Ja, ich bete sie förmlich an.

Oft liege ich, wenn die Sonne im Gehölze brütet, unter dem Laubdach

einer jungen Buche und lese, oft besuche ich meine kalte, grausame

Geliebte auch bei Nacht und liege dann vor ihr auf den Knieen, das

Antlitz gegen die kalten Steine gepreßt, auf denen ihre Füße ruhen, und

bete zu ihr.

Es ist unbeschreiblich, wenn dann der Mond heraufsteigt -- er ist

eben im Zunehmen -- und zwischen den Bäumen schwimmt und die Wiese in

silbernen Glanz taucht, und die Göttin steht dann wie verklärt und

scheint sich in seinem weichen Lichte zu baden.

Einmal, wie ich von meiner Andacht zurückkehrte, durch eine der Alleen,

die zum Hause führen, sah ich plötzlich, nur durch die grüne Galerie

von mir getrennt, eine weibliche Gestalt, weiß wie Stein, vom Mondlicht

beglänzt; da war mir’s, als hätte sich das schöne Marmorweib meiner

erbarmt und sei lebendig geworden und mir gefolgt -- mich aber faßte

eine namenlose Angst, das Herz drohte mir zu springen, und statt --

Nun, ich bin ja ein Dilettant. Ich blieb, wie immer, beim zweiten Verse

stecken, nein, im Gegenteil, ich blieb nicht stecken, ich lief, so

rasch ich laufen konnte.

* *

*

Welcher Zufall! ein Jude, der mit Photograph

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